„Bitte einmal zum Untreusee“

sage ich zum Taxifahrer, während ich mich anschnalle und die Reste meines Kleingeldes zähle. „Untreusee, ja gibt’s denn sowas“ witzelt der Fahrer, ich bleibe eine Antwort schuldig.

Lange zuvor, vor vielen Jahren, hatte ich gelesen, dass der Untreusee nach dem Untreubach benannt ist, der ihn speist – seinen Namen also nicht der Tatsache verdankt, dass sich dort, nach Einbruch der Dämmerung, heimlich untreue Frauen oder Männer treffen, wie man vermuten könnte.

Eilig verlasse ich das Taxi, um, endlich, nach Jahren, die Atmosphäre des Untreusees noch einmal einzufangen und mich ganz auf die Natur einzulassen, an diesem Sommertag.

Zunächst erspähe ich, in Front des Sees, Massen von Menschen, an den Bootsstegen, bei der Gastronomie, am Kletterpark, am Grillplatz. Kaum ein paar Hundert 100 Meter weiter, lösen sich die Menschenmassen jedoch buchstäblich in Nichts auf, nur noch die Natur und ein paar Spaziergänger, die immer weniger werden, je weiter ich mich vom Zentrum des Sees entferne. Ich betrachte den Himmel, die dunklen Wolken, eine Wanderung gleicht einem Russisch-Roulette, in diesen Tagen, ich bin unschlüssig, welchen Weg ich gehen soll, wähle dann aber die große, „anspruchsvolle“ Route – verlasse den geteerten Weg und gehe weiter, auf dem Feldweg.

Schneeball mit bunten Fruchtständen

Am Waldrand entdecke ich einen Wolligen Schneeball mit bunten Fruchtständen. An einer Dolde hängen gleichzeitig rote (unreife) und schwarze (reife) Früchte, ein kleines Wunderwerk der Natur und gleichzeitig Symbol für den Wechsel der Jahreszeiten.

Vogelbeere

Weiter fällt ein Vogelbeerbaum ins Auge – die leuchtend roten Früchte dienen indes nicht nur Vögeln, sondern auch Füchsen, Eichhörnchen und den selten gewordenen Dachsen als Nahrung. Die Pflanze ist leider nicht in voller Schönheit zu bewundern, Krankheitssymptome, die vermutlich von einem Virus oder anderen Schädlingen stammen, machen dieser ansehnlichen Pflanze zunehmend zu schaffen.

Schlehe

Unweit davon erspähe ich eine Schlehe – seit jeher ist dieser robuste, widerstandsfähige Stauch einer meiner Lieblingspflanzen. Von manchen vielleicht als unscheinbares Gestrüpp angesehen, ist die Schlehe indes eine der kraftvollsten Pflanzen überhaupt – den bitteren Früchten wird indes erst der Frost einen Hauch von Süße verleihen, ja diese überhaupt schmackhaft machen.

Pappel

Eine Pappel, die, durch die Bewegung des Windes zittert wie Espenlaub, und ihrem Namen mehr als gerecht wird, erregt weiter meine Aufmerksamkeit.

Ich laufe weiter, entferne mich dem See, der nach und nach gar nicht mehr sichtbar ist. Zögernd laufe ich weiter, unsicher, ob ich mich noch auf dem Rundweg befinde, keine Menschenseele ist weit und breit zu sehen. Nur in der Ferne ist ein Mähdrescher zu hören, der mir das Gefühl des nicht Alleinseins gibt.

Frauenmantel

Ich begegne einem Frauenmantel, nehme sofort den charakteristischen Wassertropfen in der Blattmitte wahr. Dabei handelt es sich nicht um einen Regentropfen – wie man meinen könnte – sondern um eine Art Schwitzwasser, welches die Pflanze durch winzige Poren auf der Blattoberseite ausscheidet.

Die Natur scheint ihren Zenit indes überschritten zu haben. Die Sonne steht tiefer, die Tage werden zunehmend kürzer. Auf einmal fange ich den Geruch von Zwetschgen ein, den ich so liebe, der sich jedoch mit Wehmut paart, da dieser Geruch das baldige Ende des Sommers kündet.

Bald sehe ich nur noch Felder, der See in weite Ferne gerückt. Endlich kreuzt eine Bauersfrau meinen Weg, ich atme erleichtert auf, und frage, ob ich mich hier, inmitten von Feldern, noch auf dem richtigen Weg befinde. Sie müssen immer weiter laufen, sagt die Frau, bis zu den Eppenreuther Höfen, dann beim Stall, am Ende der Höfe, links und dann immer weiter. Dann immer geradeaus, bis Sie wieder auf den See stoßen. Lächelnd danke ich der Frau, bin froh, als ich die Höfe erreiche.

Eppenreuther Höfe

Untreusee

Schilf

Meine Schritte werden schneller, je dunkler der Himmel wird. Endlich tritt der See wieder hinter den Feldern vor, erst zaghaft, dann immer deutlicher. Wenig später nimmt üppig wachsendes Schilf wieder die Sicht auf den See.

Petrus meint es gut, an diesem Tag, mit den Wanderern, der Regen setzt erst ein, als mich das Taxi wegfährt, in die Sicherheit der Stadt.

Bildquelle: Google Maps

Der Untreusee – ein Naherholungsgebiet im Süden vom oberfränkischen Hof gelegen – ist ein künstlich geschaffener Stausee. Gleichwohl von Menschenhand geschaffen, fügt er sich in die Landschaft ein, geradewegs, als hätte ihn die Natur geschaffen. Obwohl von Tausenden Besuchern aufgesucht, bietet der See doch – unweit der Menschenansammlungen an den Bootsstegen und der Gastronomie – doch Gelegenheit für Einsamkeit und Ruhe suchende Wanderer.

Der Untreusee dient der Niedrigwasseraufhöhung der Saale im Spätherbst und dem Hochwasserrückhalt des Ölnitztales im Winterhalbjahr.

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