Urban Wiesing — „Wer heilt, hat Recht? Über Pragmatik und Pluralität in der Medizin“

von Prof. Dr. Dr. Urban Wiesing

Medizinhistoriker und Medizinethiker

Vorsitzender der Ethikkommission der Bundenärtzekammer (mehr zum Autor hier auf Wikipedia )

Verlag: Schattauer; Auflage: 1 (1. Februar 2004)

Zentrale Aussage des Buches ist die These, dass die Medizin zwar wissenschaftsorientiert ist, aber dennoch alles andere als eine Naturwissenschaft sei. Gerade im 19. Jahrhundert – in einer Zeit, in der die organische Chemie einen sagenhaften Aufschwung erlebte – wollte auch die Medizin ihre Wissenschaftlichkeit unter Beweis stellen, indem sie die Naturwissenschaften und die Technik als richtungsweisenden Maßstab wählte. So hegte die Medizin die Hoffnung, an den großen Erfolgen der aufstrebenden Naturwissenschaften partizipieren zu können. In uneingeschränktem Fortschrittsglauben wollte man selbst die klinische Medizin nach dem Vorbild der Naturwissenschaften umgestalten. Dieser Anspruch kommt z. B. durch das vielzitierte Diktum von Bernhard Naunyn (1839-1925, Internist, Pharmakologe, Hochschullehrer) zum Ausdruck: „…Die Medizin wird eine Wissenschaft sein, oder sie wird nicht sein…“

Die Krise in der Medizin in der heutigen Zeit ist u. a. Folge dieses falschen Verständnisses. So nutze die Medizin zwar naturwissenschaftliches Wissen und deren Methoden – dadurch werde die Medizin aber noch lange nicht zur Naturwissenschaft. Die Medizin schöpfe immer auch aus anderen Bereichen wie den Geistes- und Sozialwissenschaften und selbst Leitvorstellungen dieser Wissenschaften würden in die Medizin integriert. Die Medizin sei kein Selbstzweck und nicht um ihrer selbst willen da, sondern sie habe die moralische Verpflichtung, kranken Menschen zu helfen und „zwar in ihrer Lebenswelt und nicht im Labor“.

Wiesing geht sogar so weit, dass er fordert, ein Arzt müsse auch philosophisch gebildet sein – er beruft sich hierbei auf den griechischen Arzt und Naturforscher Galen (ca. 129-200 n. Chr.), der sagte: „Quod optimus medicus sit quoque philosophus.“

Nur wenn Ärzte sich sowohl moralisch dem Menschen verpflichtet fühlten als auch über eine hohe fachliche Qualifikation verfügten – nur dann gelinge es der Medizin wieder, akzeptiert zu werden, zum Willen und zum Wohl des Patienten.

Auch die zunehmenden Wünsche der Patienten nach einer umfangreicheren Berücksichtigung der Komplementärmedizin müssten berücksichtigt werden. Auch die Naturheilkunde hat ihre Berechtigung – so Wiesing – man müsse bei der alternativen Medizin jedoch wie mit der Schulmedizin verfahren und die jeweiligen Verfahren auf ihre Wirksamkeit prüfen.

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